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GESUNDHEIT & VITALITÄT

Ich fühle mich wieder wohl in meiner Haut

Neurodermitis (atopische Dermatitis) zählt zu den häufigsten Hauterkrankungen und ist verbunden mit quälendem Juckreiz, geröteter, trockener und wunder Haut. Neue Therapien bringen den Patienten neue Lebensqualität. Eine Betroffene berichtet. Von Mag. Regina Modl

Meist treten die Ekzeme in Ellenbeugen, Kniekehlen oder am Hals auf, bei einem schweren Verlauf sogar im Gesicht und am gesamten Körper. Als möglicher Auslöser gilt eine fehlgeleitete Immunabwehr. Ähnlich einer Allergie werden bestimmte Botenstoffe vermehrt produziert, die Juckreiz und Rötungen auslösen. Ein weiterer Faktor ist die Störung der Hautbarriere. Dies führt zum Austrocknen der Haut und belastende Stoffe wie Allergene können leichter eindringen. Durch eine Veränderung des Mikrobioms, das heißt die Vielfalt der Bakterien auf der Haut, können sich schädliche Keime wie der Staphylococcus aureus, der mitunter Infektionen auslöst, unkontrolliert ausbreiten. Die Krankheit bricht meist im Säuglingsalter aus und verschwindet nach der Pubertät wieder. Viele Menschen begleitet Neurodermitis jedoch ein Leben lang. 

Heftiger Juckreiz und entzündete Hautstellen 
Auch Caroline Bergl leidet unter dieser Hauterkrankung. „Bereits als Kind traten die trockenen, juckenden Stellen schubweise an Ellenbogen und Knien auf. Durch eincremen sind sie aber rasch wieder weggegangen“, berichtet die heute 19-Jährige. Während bei einem Teil der Betroffenen die Krankheit im Teenageralter leichter wird oder sogar ganz verschwindet, war bei Caroline das Gegenteil der Fall, wie sie erzählt: „Mit 15 ist es immer schlimmer geworden. Am ganzen Körper bildeten sich juckende, nässende Ekzeme. Ich habe mich in der Schule unwohl gefühlt, konnte kaum Sport machen. Cortison Cremen oder Ölbäder halfen nichts. Auch UV-Therapie brachte nur kurzfristig Linderung. Durch den quälenden Juckreiz kratzte ich mich ständig blutig. Schon in der Früh, wenn ich aufgewacht bin, habe ich nur geweint“, erinnert sie sich an diese belastende Zeit zurück. 

Ein neues Medikament zeigt Wirkung 
Schließlich wurde das verzweifelte Mädchen in ein Studienprogramm für ein neues Medikament aufgenommen. „Das war vor 2,5 Jahren. Man weiß anfangs nicht, ob man zur Kontrollgruppe gehört und nur ein Placebo – das heißt ein Scheinmedikament – erhält, oder gleich das richtige Arzneimittel. Bereits nach 2 Wochen habe ich einen deutlichen Unterschied gemerkt und eine Verbesserung wahrgenommen, wie ich sie vorher noch nicht gespürt hatte.“ 

Seither nimmt Caroline Bergl das Medikament einmal täglich in Tablettenform ein. „Mittlerweile sieht keiner mehr, dass ich Neurodermitis habe. Es treten nur noch selten Juckanfälle auf, vor allem dann, wenn ich die Hautpflege vernachlässige oder stärker schwitze. Die junge Frau hat ihre Lebensfreude wiederentdeckt und fühlt sich nun wohl in ihrer Haut. Sport wie Tanzen oder Stand-up Paddeln im Sommer sind möglich. Ich weiß jedoch nicht was passiert, wenn ich mit der Therapie aufhöre. Man hat mir zwar gesagt, ich könnte probieren, das Medikament abzusetzen, aber ich traue mich noch nicht“, erklärt sie. 

Hautpflege ist ein wichtiger Faktor 
Dank der guten Wirksamkeit des Arzneimittels benötigt die 19-jährige Wienerin kein Cortison mehr. „Das habe ich langsam ausschleichen lassen. Ich verwende jetzt nur noch eine, für meine Haut geeignete Pflege.“ Das tägliche Eincremen – auch während der schubfreien Zeit – gehört zur Basisbehandlung von Neurodermitis. Da die Barrierefunktion der Haut bereits gestört ist, sollten die Pflegeprodukte den Fett- und Feuchtigkeitsverlust ausgleichen sowie frei von jeglichen Parfumstoffen sein. Gegen die trockene Haut verschreibt der Hautarzt medizinische Basissalben, angepasst an die individuellen Bedürfnisse und die jeweilige Jahreszeit. 

Der Aufklärungsbedarf ist enorm 
Weltweit sind 2–5 Prozent der Erwachsenen und ein Viertel der Kinder von Neurodermitis betroffen. Doch hinsichtlich der Erkrankung gibt es in der Gesellschaft noch Aufklärungsbedarf. Einerseits bestehen bei den Patienten selbst teilweise große Wissenslücken etwa in Bezug auf Therapiemöglichkeiten. Andererseits kann mehr Information zu einem besseren Verständnis im Umfeld der Betroffenen beitragen und ihnen den Alltag erleichtern. Dem ständigen Kratzen beispielsweise begegnen Außenstehende oft mit Furcht vor Ansteckung, Skepsis oder Ablehnung. Aber auch mitunter gut gemeinte Ratschläge können die Betroffenen in ihrer ohnehin schon stressigen Situation zusätzlich belasten. „Ich habe immer wieder gehört: ,Hör auf zu kratzen’. Aber das ist bei diesem unerträglichen Juckreiz nicht möglich. Das haben viele nicht verstanden. Daher ist es sehr wichtig, darüber zu reden. Man muss selber offen damit umgehen. Es sind viel mehr Menschen betroffen, als man glaubt“, so Caroline Bergl.

 

DIE BEHANDLUNG WIRD EINFACHER

OÄ Dr. Christine Bangert / Universitätsklinik für Dermatologie Med. Uni Wien

Forschung und Entwicklung haben in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Neueste Therapiemöglichkeiten führen etwa bei mittelschweren bis schweren Verläufen zu einer deutlichen und auch schnellen Juckreizlinderung und einem nahezu erscheinungsfreien Hautbild. Moderne Medikamente kontrollieren gezielt die Entzündungsprozesse im Körper. 

Die Behandlung erfolgt nach einem Stufenplan. Die Basistherapie besteht aus regelmäßiger Hautpflege (Cremen, Lotion). Rückfettende Produkte führen der Haut die fehlende Feuchtigkeit zu und stärken die Hautbarriere. Zweite Stufe ist eine antientzündliche Lokaltherapie mit Calcium und Calcineurin-Inhibitoren, die direkt an der überschießenden Abwehrreaktion in der Haut ansetzen. Bei mittelschweren Ekzemen mit mäßig bis intensivem Juckreiz werden stärker wirksame Entzündungshemmer (Cortisonpräparate), eventuell auch zwei- bis dreimal pro Woche Lichttherapie angewendet. 

In den meisten Fällen sind die ersten drei Punkte ausreichend. 20–30 Prozent der Patienten weisen eine mittelschwere bis schwere Erkrankungsform auf, sodass sie eine Systemtherapie benötigen. Hier sind seit 2017 in Österreich Biologika (monoklonale Antikörper) zugelassen, welche die Ausschüttung bestimmter entzündungsfördernder Botenstoffe (Interleukin 4 und 13), die zur Entstehung der Neurodermitis führen, hemmen. Die Arzneimittel werden alle zwei Wochen vom Patient selbst mittels Spritze oder Pen unter die Haut injiziert.

Neben Biologika gibt es seit diesem Jahr auch sogenannte „kleine Moleküle (small molecules)“ in Tablettenform, die einmal täglich eingenommen werden. Die sogenannten Januskinase-Hemmer (JAK-Inhibitoren) hemmen die Aktivität bestimmter Enzyme und unterbrechen dadurch den Signalweg mehrerer entzündungsauslösender Botenstoffe (Interleukin 4, 13, 33). Das Arzneimittel ist für eine langjährige Anwendung vorgesehen. Vorteil ist auch die schnelle Wirksamkeit bereits nach der ersten Tablette. Sie lässt aber ebenso schnell wieder nach. Dadurch ist hier eine bessere Dosierbarkeit möglich. Im Unterschied dazu tritt bei den Biologika die volle Wirkung etwas später ein und lässt auch langsamer wieder nach. 

Wichtig ist die regelmäßige Kontrolle. Diese erfolgt sowohl bei den Biologika als auch bei den JAK-Hemmern alle drei Monate.

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