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Mit Kampfkunst zu mentaler Stärke

Kampfsport ist nicht nur Sport oder eine Methode der Selbstverteidigung, sondern hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Von Regina Modl

Wer eine Kampfkunst erlernt, trainiert nicht nur seine körperlichen, sondern auch die mentalen Fähigkeiten. Konzentration auf Bewegungsabläufe, Techniken sowie Strategien erfordert Achtsamkeit und Fokussierung. 

Diese intensive Form der geistigen Kontrolle kann helfen, negative Gedanken zu unterbrechen und das Bewusstsein für den Augenblick zu schärfen. Dies ist gerade für Menschen mit psychischen Belastungen eine wertvolle Unterstützung. Jeder von uns hat täglich zu kämpfen. Gegen Erfolgsdruck, Frust, Ängste, Fremdbestimmung, vermeintliche Schwächen, Stress aber auch mit sich selbst. 

Für die „Schlacht“, die in oder um einen tobt, erfordert es jedoch Selbstbestimmung und Gelassenheit. Nur wer sich seiner selbst bewusst ist und den eigenen Wert kennt, kann auch für sich einstehen. Es gilt auch zu verstehen, dass kämpfen zu können, nicht bedeutet, dies auch zu müssen und ein gesundes Selbstbewusstsein nicht mit Arroganz gleichzusetzen ist. 

Lernen, mit Ängsten und Stress umzugehen 
Selbstbewusstsein ist nicht angeboren, sondern lässt sich trainieren. Kampfsportarten wie zum Beispiel Shinergy (eine spezielle Kampfkunst, die von Kampfsportweltmeister Ronny Kokert in Wien entwickelt wurde) und Kickboxen sind ideal, um Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination zu verbessern. Man baut Muskeln auf, wodurch der Körper auch als stärker und widerstandsfähiger wahrgenommen wird. 

Diese Veränderungen tragen schon zu mehr Selbstbewusstsein bei. Im Wiener Kampfsportverein „KampfKunstKörper“ wird ganz bewusst ein respektvolles, unterstützendes Miteinander gepflegt, wie Trainer Tom Höfer, der hauptberuflich als Psychotherapeut arbeitet, berichtet. Dieses Umfeld bietet insbesondere Menschen, die unter Angststörungen, Traumafolgestörungen oder Depressionen leiden, einen sicheren Raum. 

Kickboxwelt- und Europameisterin Mareike Appel, Obfrau und ebenfalls Trainerin des Vereins, stellt daher meist mehrere Varianten einer Übung zur Auswahl. „Die Trainierenden entscheiden selbst, wie viel Körperkontakt oder Härte gewünscht ist“, erklärt sie. Dafür muss man sich selbst spüren, auf die eigenen Grenzen und die des Gegenübers Rücksicht nehmen und diese auch klar kommunizieren. 

Man darf immer „Stopp“ oder „weniger“ sagen. Wie Tom Höfer weiter ausführt, haben viele psychisch belastete Menschen körperliche oder emotionale Grenzüberschreitungen erlebt. Ihnen falle es oft schwer, sich wahrzunehmen, abzugrenzen und selbst zu regulieren. Sie fühlen sich in herausfordernden Situationen ausgeliefert und erstarrt, verharren in einem inneren Alarmzustand. 

Denn großer Stress löst auf körperlicher und psychischer Ebene Reaktionen aus, die das Überleben sichern sollen. In Gefahrensituationen wird unser Nervensystem aktiviert, um uns auf schnelles Handeln – sei es Verteidigung oder Flucht - vorzubereiten. Dies führt zur Ausschüttung des Hormons Adrenalin, der Beschleunigung des Herzschlags, Steigerung der Muskelspannung und zur Sensibilisierung aller Sinne. 

Scheint jedoch weder Verteidigung noch Flucht möglich, kann es zu einer dritten Reaktionsmöglichkeit kommen: dem Erstarrungsmodus. Dabei kann man sich wie betäubt oder „neben-sich-stehend“ fühlen, wie Tom Höfer erklärt. Ist man dauerhaft sehr stressigen Situationen ausgesetzt, können sich körperliche oder psychische Fehlregulierungen chronifizieren, etwa in Form ständiger Verspannungen, Verdauungsstörungen aber auch Angst oder Depression. 

Schwierigen Emotionen begegnen 
Ein zentraler Aspekt vieler Kampfkunst-Stile ist die Selbstverteidigung. Das Erlernen von Verteidigungstechniken vermittelt ein Gefühl der Sicherheit und Kontrolle, das sich positiv auf das Selbstvertrauen auswirken kann. Wer weiß, dass er im Notfall in der Lage ist, sich zu verteidigen, fühlt sich weniger hilflos. Selbstverteidigung ist aber weitaus mehr als das Beherrschen körperlicher Techniken. 

Denn auch bestimmte Emotionen wie Angst, Scham, Schuld, etc. können dazu führen, dass wir uns schwach und nicht handlungsfähig fühlen. Der Kampfsport bietet die Möglichkeit, durch das Setzen erreichbarer Ziele und Ausprobieren neuer Wege, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken, verbessert die mentale Kraft und die Kompetenz, in stressigen oder bedrohlichen Situationen klar zu denken, strategisch zu handeln und den Alltag angstfrei zu gestalten. 

Wer im geschützten Umfeld des Trainings lernt, Grenzen zu setzen und klare Signale zu senden, wenn jemand diese überschreitet, kann auch in anderen Lebensbereichen seinem Gegenüber zeigen, dass er nicht bereit ist, sich einschüchtern zu lassen. Darüber hinaus hilft das Training, Stressresistenz aufzubauen. 

Durch das wiederholte Üben in kontrollierten Stresssituationen lernen Betroffene, ihre körperlichen Reaktionen bewusster wahrzunehmen und zu regulieren. Denn auch unter Druck ist es wichtig, ruhig und fokussiert zu bleiben, um rationale Entscheidungen zu treffen und die Situation besser einzuschätzen. 

Mit Disziplin und Struktur den Alltag meistern 
Disziplin und Impulskontrolle bzw. das Regulieren der Emotionen – zum Beispiel durch Meditation, Achtsamkeits- und Konzentrationsübungen – sind ebenfalls wichtige Elemente der Kampfkunst Shinergy. Dies kann Menschen mit psychischen Erkrankungen helfen, eine feste Struktur und klare Routinen im Alltag zu festigen sowie Resilienz aufzubauen, das heißt, die psychische Widerstandfähigkeit zu erhöhen. 

Wenn man unter Depressionen leidet, zeigt sich dies mitunter durch Antriebs- und Konzentrationsmangel, Freud- und Hoffnungslosigkeit, Niedergeschlagenheit, Interessenverlust und eingeschränktem Selbstwert. Mit Kampfsporttraining kann man wieder mehr Kontrolle über seinen Körper erlangen und Verbesserungen in der Leistungsfähigkeit erfahren. Der Sport führt auch zur Ausschüttung von Glückshormonen (Dopamin, Serotonin) und indirekt zu einer stabileren Psyche. 

Seine eigenen Gefühle zu erkennen und mit ihnen umgehen zu lernen, hilft dabei, sich nicht von ihnen treiben zu lassen. Das heißt, man kann überlegt handeln, Impulse kontrollieren und Belastungen sowie Ungewissheiten besser aushalten. Hinzu kommt die soziale Komponente des Trainings. 

Faktoren wie Respekt, gegenseitige Unterstützung und das Gefühl, Teil einer Gruppe zu sein, können soziale Isolation verringern und das Selbstwertgefühl steigern. Man erlebt gemeinsame Erfolge und die gemeinsame Arbeit an sportlichen Zielen bietet immer ein Gesprächsthema.

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