Die kalorienfreie Süße ist in Verruf geraten. Angst muss man davor aber nicht haben. Von Sabine Bisovsky
Weniger Zucker zu essen, ist eine sehr gute Idee. Denn zu viel Süßigkeiten, Kuchen, süße Snacks, Limonaden und gesüßte Fertigprodukte machen langfristig krank.
Zucker belastet den Stoffwechsel, die Leber und erhöht das Risiko für Typ 2-Diabetes, Übergewicht sowie Fettstoffwechselstörungen. Das alles ist nicht neu. Deshalb greifen manche Zuckergoscherl zur künstlichen Süße, meist in Erfrischungsgetränken oder zum Süßen von Desserts.
Süßstoffe in der Kritik
Es gibt viele Vorwürfe, die den kalorienfreien Süßungsmitteln gemacht werden. Beim genaueren Hinschauen sind die meisten allerdings wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. Die gängigsten wollen wir hier sachlich klären.
Können Süßstoffe das Krebsrisiko erhöhen?
In vielen wissenschaftlichen Studien konnte dies bislang nicht bestätigt werden. 2019 wurden zahlreiche Studien zusammengefasst und kritisch beurteilt. Die Autoren kamen zu dem Schluss: Es gibt fast nur Beobachtungsstudien zu dieser Frage.
Deshalb kann keine Aussage getroffen werden, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Krebsentstehung und Süßstoffkonsum besteht oder die Beobachtungen nur ein Zufallsbefund sind. Zum jetzigen Stand der Wissenschaft kann man davon ausgehen, dass Menschen, die mehr Süßstoffe aufnehmen, nicht häufiger an Krebs erkranken oder sterben als andere.
Aspartam im besonderen Kreuzfeuer der Kritik
Aspartam ist der am häufigsten kritisierte und auch am intensivsten erforschte Süßstoff. Viel Aufregung herrschte 2023, als die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) Aspartam als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft hat. Dazu muss man wissen, wie diese Formulierung einzuordnen ist. Die IARC klassifiziert, ob Substanzen oder Lebensmittel grundsätzlich Krebs erzeugen könnten.
Die Klassifizierung sagt jedoch nichts über die Wahrscheinlichkeit aus, dass Krebs tatsächlich erzeugt wird. Sehr viel hängt immer davon ab, wie viel man davon aufnimmt. Zum Vergleich: Alkoholische Getränke, Wurst, Schinken und Speck stuft die IARC genauso wie Rauchen „mit hoher Sicherheit“ als krebserregend ein, rotes Fleisch als „wahrscheinlich krebserregend“.
Bei üblichen Aufnahmemengen besteht keine Gefahr
Viele namhafte Experten inkl. jener der Europäischen Gesundheitsbehörde nahmen zu der IARC-Klassifizierung Stellung und betonen auch aktuell: Wer pro Tag nicht mehr als die maximal empfohlene Menge aufnimmt, muss sich keine Sorgen um seine Gesundheit machen. Diese Höchstmenge steckt z. B. in 4,5 Liter eines Aspartam-gesüßten Soft-Drinks.
Machen Süßstoffe hungrig und dick?
Süßstoffe würden appetitanregend wirken und somit eher dicker als schlanker machen – so der nächste Vorwurf. Inzwischen belegen mehrere Studien eindeutig, dass Blutzucker, Insulin und appetitanregende Hormone von den Süßstoffen Aspartam, Saccharin und Acesulfam K nicht beeinflussbar sind.
Vorausgesetzt natürlich, es landen keine anderen Kohlenhydrate gleichzeitig im Magen. Einzig beim Süßstoff Sucralose zeigen sich widersprüchliche Ergebnisse, die es in weiteren Studien zu klären gilt.
Hilfe beim Abnehmen
Eines ist klar – Süßstoffe sind keine Wundermittel, die automatisch schlank machen. Wer seinen Kaffee mit Süßstoff süßt, aber dazu Torte mit Schlagobers isst, wird deswegen nicht schlanker. Genauso wenig darf man sich mit der kalorienfreien Süße das gute Gewissen kaufen. Süßstoffe können beim Abnehmen dann hilfreich sein, wenn sie im Rahmen einer kalorienreduzierten Ernährung etwas süßen Geschmack in den Ess- und Trinkalltag bringen.
So kann man z. B. Zucker in einem Dessert, Obstsalat oder Getränk teilweise durch Süßstoff ersetzen. Auch als geschmackliche Alternative zu Wasser darf es mit gutem Gewissen hin und wieder ein Light-Getränk sein. Dennoch sollte man hauptsächlich pures Wasser zum Durstlöschen trinken.
Beeinträchtigen Süßstoffe das Darm-Mikrobiom?
Ob Süßstoffe unser Mikrobiom im Dickdarm verändern können, wird derzeit intensiv untersucht. Bisherige Erkenntnisse stammen überwiegend aus Tierversuchen, mit teils extrem hohe Süßstoffmengen. Damit lassen sich keine Aussagen über die Folgen beim Menschen machen.
In Humanstudien wurde meist nicht berücksichtigt, was die Testpersonen insgesamt gegessen oder getrunken hatten. Falls sich dann das Darmmikrobiom ändert, kann man dies nicht alleine auf Süßstoffe zurückführen. Außerdem kommen etliche Süßstoffe gar nicht bis in den Dickdarm, weil sie der Körper vorher zerlegt und mit dem Harn ausscheidet.
Süßstoffe meiden oder nicht?
• Zucker in Übermaß ist schädlich. Wir alle sollten auf der Zuckerbremse stehen und wo immer es geht insgesamt weniger süß essen und trinken.
• Süßstoffe in Maßen sind weder krebserregend, noch fördern sie das Hungergefühl oder lassen den Insulinspiegel ansteigen. Zudem greifen sie im Gegensatz zu Zucker die Zähne nicht an.
• Besonders Diabetiker können mit Hilfe von Süßstoffen eine Achterbahn des Blutzuckers vermeiden, wenn sie ihn statt Zucker zum Süßen verwenden.
• Wer ab und zu mit einem Light-Getränk Abwechslung in seinen Trinkalltag bringt oder die Zuckermenge in selbst gemachten Cremen, Desserts, Bowle oder Glühwein mit einem Spritzer Süßstoff reduziert, kann das weiterhin mit gutem Gewissen tun.
• Süßstoffe sind aber kein Freibrief für ungebremstes Schlemmen und können keinen gesunden Ess- und Trinkalltag ersetzen.